Wittenberger Weg

Siedlung

Die Siedlung am »Wittenberger Weg« wurde in den 1960er Jahren ursprünglich als Notunterkunft für Obdachlose erbaut. Auch heute gilt der städtebaulich isolierte Ort in Düsseldorf Garath, als Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf. Etliche Familien wohnen seit Generationen hier. Der Alltag der Bewohner*innen ist geprägt von sozialer Armut und Exlusion. Viele Kinder und Jugendliche, die im Viertel aufwachsen sind, besuchen die Alfred-Herrhausen-Schule, eine Förderschule für Lernen, sowie soziale und emotionale Entwicklung.

Paradise–Park– am Wittenberger Weg

Seit 2018 fährt der Ü-Wagen von Paradise–Park– die Siedlung am Wittenberger Weg an. In multimedialen Workshops erlernen die Kinder und Jugendlichen den Umgang mit der Kamera. Dabei nähern sie sich dem Filmen durch theoretischen und praktischen Input an. Einstellungsgrößen im Film werden besprochen, Interviewtechniken erlernt, das technische Equipment erklärt. Die erlernten Inhalte werden durch praktische Übungen gefestigt: Die Jugendlichen beleuchten und untersuchen die Umgebung mit der Kamera und zeigen das Viertel aus ihrer subjektiven Perspektive heraus. So werden sie aktiv in den Gestaltungsprozess einbezogen.

Die Workshops sind Teil des Projekts »Arm oder reich?– ein Café am Wittenberger Weg« von der Künstler*in Ute Reeh.

Wiesencafé

Seit 2009 besteht eine Kooperation zwischen der Alfred-Herrhausen-Schule und der Künstler*in Ute Reeh. Gemeinsam arbeiten sie künstlerisch, praktisch und partizipativ direkt vor Ort, am Wittenberger Weg. Die Jugendlichen erkunden, untersuchen und analysieren ihr Viertel, aus ihrer Perspektive heraus und stellen fest, dass ein kommunikativer, offener Ort für Alle fehlt. So entsteht die Idee für das Wiesencafé — ein Ort, der Treffpunkt ist, an dem man zusammen kommt, um zu essen und sich auszutauschen, ein Ort an dem die eigene Kultur als stark erlebt und geteilt werden kann. Ein Ort den man selbst erdacht, geschaffen und gebaut hat und den man dann mit anderen teilen und nutzen kann. 

Ich stelle mir ein sehr schönes Café vor, wo man auch gut essen kann und es hoffentlich auch guten Kaffee gibt. Ein Ort, an dem man sich gemeinsam über alles freut, besonders darüber, dass alles selbst gebaut ist – auch die Teller. Ich glaube, dass man dann alles noch mehr schätzt. Laura Kundt

Erfinden

Die Künstler*in Ute Reeh berichtet über die verschiedenen Planungs-und Umsetzungsphasen des Projekts:

» Von November 2013 bis April 2014 entwickelten Kinder einer Klasse der Alfred-Herrhausen-Schule Entwürfe, und Modelle, interviewten Anwohner, suchten nach Bauplätzen, erfanden Gerichte. Nachdem ihre Ideen ausgereift waren, arbeiten sie Details in Patenschaften mit Studierenden des Fachbereichs Architektur der Hochschule Düsseldorf, PBSA aus. Zwei Grundformen wurden im Mai 2014 an zwei möglichen, von den Kindern ausgewählten Bauplätzen zusammen mit Lehrenden und Studierenden der PBSA 1:1 aus Latten und Folie aufgebaut. 2015 wurde der Grundriss, wieder gemeinsam, festgelegt und der Bauantrag gestellt. 2017 wurde die Bodenplatte des Cafés errichtet. Kinder waren in jedem möglichen Arbeitsschritt beteiligt. 2016 und 17 wurden die Möbel für das Café aus Holz angefertigt. Seit Oktober 2017 gibt es die Bodenplattform, aus  Beton und Holz. Hier öffnete 2018 einmal im Monat das Wiesencafé Open Air.«

Bauwochen

In intensiven Workshop-Wochen — den so genannten Bauwochen — entstehen zunächst Entwürfe, und Modelle für eine mögliche Konstruktion des Cafés. Diese Ideen werden in Kooperation mit dem Fachbereich Architektur der Hoschule Düsseldorf in baubare Pläne übersetzt, der Grundriss gelegt und der erste Teil des Cafés gebaut. In Handarbeit entsteht eine Bodenplattform, aus Lehm, Beton und Holz.

Anschließend beginnt die intensive Planung. Schüler*innen der Alfred-Herrhausen-Schule, der Grundschule Südallee und der Montessori Gesamtschule Düsseldorf arbeiten jeden Monat für eine Woche direkt in der Siedlung, auf der Plattform mit Künstler*innen, Designer*innen, Musiker*innen, Architekt*innen, Sozialwissenschaftler*innen und Student*innen der Hochschule Düsseldorf zusammen. Das Besondere an dem Projekt ist, dass alle Positionen und Ideen gehört, gedacht und zur Diskussion gestellt werden. Alle Akteur*innen werden gleichwertig in den Enstehungsprozess des Cafés einbezogen. So werden gemeinsam Entwürfe für die Dachkonstruktion entwickelt, Möbel für das Café aus Holz angefertigt, Geschirr entworfen und geformt, Teppiche aus Schafwolle gehäkelt, Rezepte erfunden, gekocht und probiert, Einsatzpläne für den Betrieb erstellt und Preise für den Verkauf festgelegt.

Im Café gibt es jeden Tag zwei Kinder und zwei Erwachsene, die servieren, kassieren, Streit schlichten, kochen, putzen, aufräumen und Regeln für alle machen. Cédric
Wir machen so einen langen Tisch, dann warten wir auf alle und essen zusammen. Leon
Es soll nur besondere, selbstgemachte Sachen geben im Café – nichts von der Stange, das ist zu langweilig, vielleicht gibt es dann Rabatte für Kinder und Schüler. Pascal
Es soll Joghurt-Erdbeer-Quark und Minz-Hollunder-Eistee geben. Fleisch, nur aus der Region! Leah

In jeder Bauwoche wird ein Filmteam gebildet, um alle Geschehnisse rund um das Wiesencafé mit Kameras und Tonaufnahmegeräten aufzuzeichnen. Am Ende jeder Bauwoche wird das Material gemeinsam im Ü-Wagen gesichtet, besprochen und geschnitten. Es entstehen verschiedene visuelle Blickwinkel und Formate.

Gestern haben wir zusammen gefilmt, das Kochen und die Lkws, die gehupt haben. Eigentlich haben wir alles zusammen gefilmt, das war auch das erste Mal, dass ich gefilmt habe. Dennis
Wir gucken uns zusammen die Videos an, sprechen darüber, suchen die besten Bilder aus, schneiden im Bus und dokumentieren eigentlich den ganzen Bau. Laura Kundt
Ich habe mit Canuto gerappt – wir machen ein Musikvideo. Elvir

Laura Oldörp und Patrick Kruse
Film-Workshops Wittenberger Weg
Workshopgestaltung

Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Anja Vormann

Als Teil des Projekts »Arm oder reich? – Ein Café am Wittenberger Weg« künstlerisch begleitet von Ute Reeh

mit Schüler*innen der Alfred-Herrhausen-Schule, der Grundschule Südallee, des Heinrich Hertz Berufskolleg, der Fritz Henkel Schule, der Kita Wittenberger Weg, der offenen Tür Wittenberger Weg, der Montessori Gesamtschule Düsseldorf und Kindern und Jugendlichen aus der Siedlung »Wittenberger Weg«