Über 120 Gestalter*innen haben im Sommersemester 2019 ihr Studium an der Peter Behrens School of Arts abgeschlossen und ihre Bachelor- und Masterprojekte während der Werkschau am 20. Juni präsentiert. Dazu gehören Absolvent*innen der Studiengänge Kommunikationsdesign, Retail Design, Applied Art and Design und Exhibition Design. Wir stellen sieben Arbeiten von Kommunikationsdesigner*innen in diesem Beitrag vor und geben einen Einblick in die junge Gestalterszene.
Das Projekt »Die Ästhetik des Zufalls« von Dennis Hölscher untersucht mittels verschiedener Experimente Wege eines gestalterischen Prozesses, in denen der Zufall oder zufällige Parameter eine tragende Rolle spielen. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Zufall in der ästhetischen Form- und Gestaltfindung. Mit den Disziplinen Fotografie, Sound-Typografie, Programmierung und Malerei wird ein offenes Experimentierfeld geschaffen, indem versucht wird Sehgewohnheiten und Gestaltungskonformen aufbrechen und neue Lösungswege zu finden. In seiner gestalterischen Arbeit vermischt Dennis Hölscher analoge und digitale Techniken miteinander. Die crossmediale Transformation erzeugt in jedem Schritt zufällige Parameter, die das gestalterische Ergebnis beeinflussen. In einem der Experimente transformiert und verzerrt er Typografie mit jedem Arbeitsschritt bis sie am Ende als analoge Übersetzung mit händischen Eingriffen im Prozess enden oder arbeitet mit Mustern, die an GPS-Bewegungsprofile erinnern und hinterfragt die stille Präsenz der digitalen Technik und ihren Macht- und Einflussbereich.
Adiaha Ita hat in ihrem Bachelorprojekt »The Outside« das Medium Buch und Animation miteinander verbunden. Zwei Erzählungen stehen sich gegenüber: die Geschichte im Fließtext und die Animationen, die über die Zeichnungen im Buch durch die App Artivive abgerufen werden können. Im Fließtext wird die Handlung anders erzählt als durch die Animationen. Bestimmte Punkte der Geschichte werden im Fließtext beschönigt oder vernachlässigt. Die Animationen greifen einzelne Aspekte auf und beleuchten sie intensiver. Das Projekt arbeitet mit sich gegenüberstehenden Narrationen und unterschiedlichen Erzählformen, die im Design unter anderem durch referenzielle Bezüge zum zerstörerischen Charakter des Protagonisten aufgegriffen wurden.
In Zypern lebt mehr als die Hälfte der Einwohner in den Städten. Die ländliche Armut, eine schlechte Infrastruktur und die Unruhen und Auseinandersetzungen mit den britischen Besatzern sowie mit den türkischen Truppen machten sowohl Binnenmigration als auch Auswanderung zu bestimmenden Themen innerhalb der zypriotischen Bevölkerung. Mit den Folgen der Urbanisierung und Landflucht beschäftigt sich Yohanan Khodr in seiner Arbeit »Stadt. Land. Flucht.« und konzentriert sich auf die Bergdörfer Spilia-Kourdali und Kannavia im Gebiet des Troodos-Gebirges. Innerhalb von 30 Jahren sank die Bevölkerungszahl in der Region um 50 Prozent und in einem Fünftel des Gebiets gibt es keine Menschen, die jünger sind als 24. Jahre. In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlassen vor allem jüngere Menschen die Dörfer; die ältere Bevölkerung bleibt zurück und die Gemeinschaft löst sich nach und nach auf. Die gestalterische Arbeit spürt dem Phänomen auf einer Mikroebene fotografisch nach und nähert sich der Fragestellung inwieweit Fotografie als Werkzeug zur Erkenntnisgewinnung in der visuellen Forschung eingesetzt werden kann.
Die Bonner Nordstadt hat sich in den vergangenen 40 Jahren von einem grauen und unattraktiven Viertel zu einer äußert beliebten Wohngegend entwickelt. Mit dem sukzessiven Aussterben lokal ansässiger Handwerksbetriebe, dem zunehmenden Aufkommen von Gaststätten sowie aufgrund des vormals sehr günstigen Wohnraums, wandelte sich die Bevölkerungsstruktur der Bonner Nordstadt ab den 1980er Jahren stark. Heutzutage sind die von Stadtsoziologen sogenannten A-Gruppen wie Alleinerziehende, Alte, Arme und Arbeiterfamilien fast vollständig aus der Nordstadt verschwunden, stattdessen haben sich mit Architekt*innen, Anwält*innen und Akademiker*innen neue A-Gruppen im Viertel etabliert. Durch die Begrünung der Straßenzüge mit Kirschblütenbäumen wurde das Viertel zu einer touristischen Attraktion und über die sozialen Medien weltweit bekannt. Warum ausgerechnet die Bonner Nordstadt von der Gentrifizierung betroffen ist und welche Maßnahmen die vorgenannte Entwicklung begünstigt haben, wird in der Bachelorarbeit »Szeneviertel und Gentrifizierung« von Gabriel Küster aufgezeigt.
»Yunic – die Unübersetzbaren« ist eine Sammlung von sprachspezifischen Wörtern, die von Rosa Viktoria Ahlers realisiert wurde. Welchen Einfluss Sprache auf unser Denken und Handeln haben ist Untersuchungsgegenstand ihrer Bachelorarbeit. Aspekte wie Wortwahl und die Muttersprache und ihre Relevanz und ihren Einfluss auf Empfindungen wurden im theoretischen Teil der Arbeit untersucht. In der gestalterischen Umsetzung werden zwölf unübersetzbare Begriffe aus unterschiedlichen Sprachen aufgegriffen und in einem Buch illustriert. Die Begriffe geben besondere Feinheiten des Alltags und des Miteinanders aus den unterschiedlichen Kulturen zu erkennen. Die Illustrationen transportieren das Gefühl der Begriffe und sind eine subjektive Interpretation. Die surreale Umsetzung ist ein Bezug zu der phantastischen und sensiblen Art der Wörter; die Illustrationen sind keine direkten visuellen Übersetzungen, sondern ein Einblick in andere Sprach- und Lebenswelten. Jedes der Begriffsbilder wurde digital mit surrealistischen Bezügen im malerischen Stil entworfen. Auch die Typografie wurde selbst entwickelt; so entsteht eine Fusion zwischen Bild und Begriff.
Mona Peschutter hat das Buch »Tür zu vergessenen Dimensionen« als Bachelorprojekt realisiert und beschreibt darin ihre schamanische Grundausbildung bei einem Meisterschamanen im Amazonasdschungel. Ein Meisterschamane, auch »Ayahuascquero« genannt, darf die Gebräuche mit dem psychoaktiven Heilpflanzentrank Ayahuasca weitergeben. Der Heilpflanzentrank dient der Heilung unterschiedlicher Krankheiten, Traumata und Depressionen. Die Arbeit ist eine fotografische, poetische und dokumentarische Auseinandersetzung psychedelischer Reisen und neuen Wegen. Außerdem ist es eine Suche nach einer visuellen und sprachlichen Erzählform; wie und mit welchen Medien können intensive Erfahrungen visuell übersetzt werden. Die Reise wird zum chronologischen Plot, der durch Gedichte und Hintergrundwissen über Schamanismus und Ayahuasca erweitert wird. Die Geschichte soll den Leser ein Stück zu sich selbst führen und ihn dazu bewegen freier zu denken und zu fühlen. Die Arbeit kombiniert verschiedene literarische Gattungen und Medienformen wie Fotografie und Illustration miteinander.
Die fotografische Arbeit »From Paris with Love« hinterfragt Sozialstrukturen und den Tourismus in Frankreich, ist aber in erster Linie eine persönliche Geschichte, die von Erfahrungen und Erlebnisse berichtet und eine ungewohnte Perspektive auf die Pariser Vororte bietet. In ihren Fotografien konzentriert sich Sarah Hollfeld auf Einfachheit und setzt die Architektur immer im Zusammenhang zur Gesellschaft und der einzelnen Personen; die Interaktionen zwischen den Menschen und ihre Spuren sind Untersuchungsaspekte. Noisy-le-Grand, der Vorort ihrer Tante, war das Paris ihrer Kindheit. Die Architektur war ursprünglich ein Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs und trennte die Stadt in Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Freiraum. Durch die strikte Trennung von Wohnen und Arbeiten, sowie baulichen Missständen, wurden die Hochhaussiedlungen immer unattraktiver. Heute sind die Vororte stigmatisiert und ihre Bewohner*innen werden oft kriminalisiert. Es ist eine Welt die vielen Menschen unbekannt und unverständlich ist.
Beitragsbild: Anika Kunst
Beitrag von Yohanan Khodr