Das Projekt » Overcoming exclusive Narratives « erforscht Kommunikationsräume junger israelischer und palästinensischer Frauen. In Israel und Palästina hat sich der religiöse und ethnisch-nationalistische Konflikt über Jahrzehnte verschärft. Die Separierung der Gesellschaften verhindert die Begegnung beider Gruppen und hält Vorurteile und Feindbilder aufrecht. Interviews, Videos, Audioaufnahmen und Fotografien ermöglichen einen Austausch zwischen Frauen, um exklusive Narrative zu überwinden und die Existenz anderer Narrative zu akzeptieren. Die entwickelten Designmethoden und -werkzeuge befinden sich in einem ständigen Forschungsprozess.
Der Ansatz der Konfliktforschung nach Eran Halperin und Daniel Bar-Tal, zeigt psychologische Barrieren als einen Faktor der Aufrechterhaltung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Sowohl Israelis als auch Palästinenser*innen legitimieren ihre Handlungen aufgrund von festgefahrenen Denkmustern. Die Kontakt-Theorie, eingeführt von Gordon Allport beschreibt, dass Spannungen zwischen Gruppen reduziert werden können, indem Kontakt zwischen zwei Gruppen hergestellt wird. Die Theorie basiert auf der Nichtexistenz von Wissen mit dem Ziel, die generalisierte Gruppenidentität durch individuelle Identitäten zu brechen. Die Theorien der Intervention, basierend auf interaktiven Prozessen während der Begegnung, wurden von Katz und Kahanov (1990) weiterentwickelt. Die Theorie ist stark mit der Praxis verknüpft und teilt die Begegnung in unterschiedliche Inhalte auf. Die Reduktion stereotypierter Bilder erfolgt, indem persönliche, kulturelle und konfliktbezogene Erfahrungen diskutiert werden. Die Teilnehmer*innen öffnen sich auf einer persönlichen Ebene und reflektieren ihre Identität, reproduzieren ihre alltäglichen Rituale und Traditionen und teilen Erfahrungen über den Konflikt und ihre Lösungsvorschläge mit. Storytelling als ein System des Sammelns von Informationen, erklärt Dan Bar-On, ermöglicht es den Teilnehmer*innen, psychologische und soziale Prozesse anderer zu verstehen. Die verschiedenen Phasen der Begegnung fordern eine neue Denkweise und ermöglichen den Teilnehmer*innen, die Existenz anderer Narrative zu akzeptieren.
Social Design ist eng mit sozialen und politischen Themen verbunden und fordert Designer auf, gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu gestalten. Seit den 1970er steht der Begriff Social Design im ständigen Diskurs und wird in einen neuen sozialen Kontext gestellt. Design kann als Werkzeug genutzt werden, um neue Lösungen für die Gesellschaft zu entwickeln. Die Transformation der Gesellschaft zwingt uns, zu handeln und unser Verantwortungsgefühl wiederzufinden, sagt Victor Papanek. Wir sind alle Teil eines globalen Dorfs, und die Notwendigkeit eines Wandels der Gesellschaft kann nicht mehr verdrängt werden. Gestaltung wird zum Instrument neuer Zukunftsvisionen und erarbeitet Lösungen, die den wahren Bedürfnissen des Menschen gerecht werden. Hier kann die umfassende Gestaltung durch interdisziplinäre Untersuchungen und Forschungen Ziele der Zukunft neu definieren. Für Lucius Burckhardt geht Social Design ebenfalls von einem Verständnis von ganzheitlichen Systemen aus. Das Verständnis von unsichtbaren Faktoren im System ermöglicht erst kritisches Designdenken und schafft mehr als nur leere Formen. Um nachhaltige Lösungen zu gestalten, müssen alle Variablen berücksichtigt werden. Friedrich von Borries spricht von Design als Befreiung von Unterwerfung – Design ist ein fundamentaler Akt des Menschen. Gesellschaft gestalten bedeutet Utopien zu entwickeln und diese den gegebenen Möglichkeiten gegenüberzustellen. Nur so kann für den Mensch eine Zukunft erfahrbar gemacht werden.
Im Rahmen der Hochschule Düsseldorf und des forumZFD in Jerusalem untersucht das Projekt » Overcoming exclusive Narratives « einen Raum der Kommunikation von zwei Konfliktgruppen auf visueller Ebene. Eine nachhaltige Begegnung der Teilnehmerinnen kann nur entstehen, indem allen die Möglichkeit geboten wird, zur kollektiven Sammlung von Narrativen beizutragen und ihr Wissen zum Austausch zur Verfügung zu stellen. Während des Projekts stehen die zwei Gruppen immer auf gleicher Ebene und können das Potential der Bekanntschaft erkennen. Das Projekt ist in drei Phasen eingeteilt: Die Informationssammlung von Narrativen, der Austausch von Narrativen und das Rollenspiel von Narrativen. Alle drei Phasen sind verknüpft mit der Auseinandersetzung des eigenen und anderer Narrative auf israelischer und palästinensischer Seite. Viele der psychologischen Barrieren sind stark mit Emotionen verbunden, die durch das Interview offen gelegt werden können. Durch die Wiedergabe, der Konfrontation und dem Rollentausch von Narrativen wird eine neue Denkweise ermöglicht, die emotional geprägte Denkmuster auflösen kann. Inhaltlich werden hier soziale und psychologische Prozesse sichtbar, deren Schlüsse auf weitere Konstrukte angewendet werden können.
In der ersten Phase entsteht eine Materialsammlung an Texten und Fotografien persönlicher Narrative. Den israelischen und palästinensischen Teilnehmerinnen wird die Möglichkeit gegeben, über ihre Identität, die Kultur und den Konflikt zu sprechen. In der zweiten Phase findet die erste Begegnung statt, indem die Skripte den anderen Teilnehmerinnen zur Verfügung gestellt werden. Die jungen Frauen sichten das Material und erstellen Notizen zur Festigung der neuen Erkenntnisse. In der letzten und dritten Phase folgt ein Rollenspiel, bei dem sich jede Teilnehmerin in die Position eines anderen Narratives hineinversetzen kann, um paradoxes Denken zu provozieren. Die drei Phasen des Projekts ermöglichen eine neue Denkweise der Teilnehmerinnen und können emotional geprägte Denkmuster aufbrechen.
Phase 1
Die erste Phase startet mit der Beobachtung und Sammlung persönlicher Narrative. Nach der Konfliktforschung werden Informationen zur Person, Kultur und Konflikt während der Kontaktaufnahme fokussiert. Die Teilnehmerinnen können sich selbst während dieser Phase hinterfragen und reflektieren. Ein Interview und Fotografien helfen, die persönlichen Narrative zu visualisieren.
[The taxi driver drops me off at the Grand Royal Hotel in Beit Jala. Looking around I remember the city – the houses and the roads. Google maps does not work in the streets of Palestine. By memory I try to find the way back to Aliza’s apartment. I pass mosques and churches getting closer to Aliza’s house up on the mountain of Beit Jala. Last year Aliza’s aunt offered me her help seeing me waiting in the sun at the bus stop. That day I had walked around Beit Jala in the heat of the afternoon, after my sightseeing tour in Bethlehem, which is located on the other side of the valley. When I was exhausted waiting for a bus back to Jerusalem Aliza’s aunt invited me for a glass of water, and I spent the whole afternoon with Aliza’s family. Five months later Aliza was the first girl to confirm meeting me for the project on Facebook. Aliza runs towards me and gives me a warm hug. I walk up the stairs and I notice Aliza’s change – her hair is loose, I see high heels on her feet. She is a self-confident young woman. Coming inside her room Aliza asks me if I want to go out with her. Why not – I tell myself. Carefully, she gives me the advise to wear something else. She says it is not a fancy place where we go but we have to look hot as fuck. Putting on a new shirt, lipstick and mascara makes her satisfied. Soon, we are sitting in her father’s car heading with squeaking tires to a Hookah bar.]
—
J: Can you tell me how has the conflict between Israel and Palestine affected your life from your childhood till now?
A: Ehm … Everyday … Like not everyday but there is always a fight between Israel and Palestine. Just two days ago the soldiers from Israel came to Beit Jala1 and there were shootings on the street. Yeah. I don’t know. The soldiers took the cameras and they left the city and they went to … you know where is the wall21 in Bethlehem2 is … they went there and the Palestinian started throwing rocks and stuff to … what you guys call it … defend themselves.
J: And how do you feel about this?
A: Actually, I really feel bad about Palestinian but I can’t do anything for them. I will never give my life for a country that will never be free. That’s how I think.
J:And you think there could be peace in the future?
A:In the future? If there were no occupation22 and if all the countries were going to be one hand and help each other – then there would be peace. But if you see now America is with Israel and nobody is on the Palestinian side. And Saudi Arabia is with America. So they have to be with Israel. As you see. That’s whats going on. America is with Israel so the whole world is with Israel. This is how it is going.
J:Does it make you angry? That those powers are controlling everything?
A:I don’t think about it too much. So. I just want to live my life as a person. I just don’t want to … If I keep thinking about it I am just going to blow up. So. I don’t want it to blow up.
Phase 2
In der zweiten Phase findet die erste visuelle Begegnung statt. Die editierten Interviews und Fotografien werden nun zum Informationsaustausch in Papierform gesammelt und mittels einer Werkzeugbox zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmerinnen der zwei Gruppen können individuell das Material anderer Narrative erarbeiten und verfassen Notizen ihrer Reflexion.
Phase 3
In der letzten und dritten Phase folgt ein Rollenspiel. Die Teilnehmerinnen können sich in einen anderen Narrativ hineinversetzen und geben diesen vor der Kamera wieder. Die Phase wird filmisch begleitet und hält die Reaktionen der Teilnehmerinnen dokumentarisch fest. Die Gegenüberstellung und Konfrontation kann zu einem paradoxen Denken führen.
Die Publikation dokumentiert die verschiedenen Phasen der Überwindung exklusiver Narrative der israelischen und palästinensischen Teilnehmerinnen und besteht aus zwei Teilen: der editierten Dokumentation und der vollständigen Transkription. Die Dokumentation zeigt Fotografien der Personen, Räume, Dokumente und Gegenstände. Begleitet werden die Fotografien durch die editierten Interviews der Teilnehmerinnen. Um Text und Bild voneinander zu trennen, geben hier zwei verschiedene Formate, die Möglichkeit die Inhalte unabhängig voneinander zu betrachten. Die Transkription von Gedanken und Interviews gibt einen Einblick in die Prozesse der verschiedenen Phasen, der Interviewsituationen und Spannungen während des Projekts.
Die Ausstellung des Projekts bietet Außenstehenden die Gelegenheit, sich in israelische und palästinensische Narrative hineinzuversetzen. Für die Werkschau der Hochschule Düsseldorf wurde hier exemplarisch ein Ausstellungskonzept gestaltet. Der Raum der Ausstellung beinhaltete mehrere flexible Module und gab einen Einblick in die unterschiedlichen Bereiche des Projekts. Die Module zeigten die drei Phasen des Projekts und waren in Bewegungsrichtung angeordnet, sodass die Besucher durch alle Phasen geleitet wurden.
Janna Lichter
Overcoming exclusive Narratives
Abschlussarbeit
Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Anja Vormann und
Prof. Gabi Schillig
Entwickelt im Rahmen
Praktikum forumZFD Jerusalem
Weiterführende Links