Residenzen im Realen

Der Körper ist das was bleibt, wenn der Tanz die Institution verlässt und im öffentlichen Raum residiert. Der neue Raum bildet die Basis auf der geforscht, erfahren und gestaltet wird. Tanz und Performance sind dabei Methode und gleichzeitig Werkzeug, den eigenen Körper in einer neuen Umgebung wahrzunehmen und durch die entstehende Wechselwirkung auch Einfluss auf diesen Raum auszuüben.

Anlässlich der „Residenzen im Realen“, vom Tanzhaus NRW ins Leben gerufen, werden unterschiedliche, oftmals unbeachtete Räume in Interaktion mit dem Körper untersucht. Unter dem Aspekt der Fürsorge, schlagen insgesamt sechs Künstlerinnen und Künstler ihre temporären Lager in einem der drei realen Räume auf.

1: Fitness Unlimited, Kollektiv Zoo: Jens Krüger, Constantin Leonhard, Anja Plonka
2: Palliativstation Diakonie Flingern, Rodrigo Garcia Alvaz, Liz Rosenfeld
3: Zentrum Plus Friedrichstadt, Katja  Heitmann                                                                                                                                                                             
Im ersten Schritt machen Sie sich selbst den Raum bewusst. Sie erforschen ihn, untersuchen Handlungsmuster, der sich dort aufhaltenden Menschen und deren Interaktion mit dem Raum. Sie beschäftigen sich mit Fragen wie: Welcher Platz kann in diesem Raum eingenommen werden? Aus welcher Perspektive heraus soll die Wirkung der Interaktion betrachtet werden? Es folgen verschieden gestaltete Experimente der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper im Raum.

Raum 1: Fitness Unlimited
Perfektionierung des Körpers
Jens Krüger, Constantin Leonhard und Anja Plonka sind studierte Performance Künstler, die unter dem Namen Zoo Kollektiv bereits einige Projekte gemeinsam umgesetzt haben. Ihre sechswöchige Auseinandersetzung zum Thema Selfcare findet im Fitnessstudio Unlimited statt. Hier nutzen sie die ihnen gebotenen Möglichkeiten den Raum zu erfassen. Sie begeben sich in die Rolle des Besuchers, nehmen an Sportkursen teil und mischen sich ins Feld. Anschließend ziehen sie sich zurück, sammeln Eindrücke und forschen zu Themen der Selbsterhaltung und der Perfektionierung des Körpers. Die Summe aus den Erfahrungen im Raum und den Forschungsergebnissen übersetzen sie in eine 45- minütige Performance.

Raum 2: Zentrum Plus Friedrichstadt (Seniorenheim)
Bewegungsskulpturen
Die in den Niederlanden ansässige Choreografin Katja Heitmann und ihr Team haben mehr als fünf Wochen in der Begegnungsstätte „zentrum plus“/DRK Friedrichstadt mit 14 Menschen zwischen 65 und 86 Jahren zusammengearbeitet. Entstanden ist eine Ode an die Schönheit des nicht-effizienten Körpers und ein Bewegungskunstwerk, in dem die Schönheit zum technischen Protest gegen unser Effizienzdenken wird. Es geht um die zumeist unbeachteten Momente des Alltags. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit versteht sich als eine „Kollektion des Unmessbaren“ in Zeiten, in denen das Menschsein vor allem auf das Vermessen und Optimieren reduziert ist. (Video by Hanneke Wetzer)

Raum 3: Palliativstation Diakonie Flingern
In einer Raumkapsel
Die Arbeit zum Thema der Selbstsorge in Bezug auf den Tod, orientiert sich an der Methodik der Feldforschung. Die beiden Performancekünstler Liz Rosenfeld und Rodrigo Garcia Alvaz nähern sich dem Thema mit multimedialen Mitteln und bedienen sich damit verschiedenster Methoden der Raumerfassung und der Darstellungen ihrer Erfahrungen.

Selbstsorge – die Sorge – das Selbst – ich sorge für mich selbst – um was sorge ich mich? - wie versorge ich mich?

Embodiment ist ein Begriff aus der Kognitionswissenschaft und beruht auf der Annahme einer Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche. Vertreter dieser Richtung gehen davon aus, dass geistige Empfindungen von den Bewegungen des eigenen Körpers beeinflusst werden können. Demnach aktivieren Körperhaltungen und -bewegungen im Raum unterschiedliche mentale Konzepte, die wiederum das eigene Denken und Handeln beeinflussen.

Wie erkundet der Designer den Raum? Was wissen wir über Räume, wenn wir sie gestalten? Lässt sich ein Raum am Schreibtisch erkunden? Wie sehen Residenzen des Realen für den Designer aus?

Ähnlich wie Performancekünstler oder Tänzer, arbeiten Designer/Gestalter mit eigenen Tools, um Erfahrenes zu interpretieren, zu übersetzen und in andere Kontexte zu überführen. Begibt sich der Gestaltende ins Feld bedient er sich Methoden des Visualisierens. Sowohl Skizzen, Fotos, Videos, als auch Tonaufnahmen einzelner Interviews oder Soundscapes sind Möglichkeiten zur Erfassung eines Raumes.

Die Bewusstmachung des Raumes erfolgt oft durch eine Auseinandersetzung mit den gewählten Medien. Oft wählt der Gestaltende dabei im Voraus seine Gestaltungsmittel, die meist auf ein bestimmtes Endprodukt
hin ausgerichtet sind. Der Prozess wird dabei oft von seinem Resultat aus gedacht, was zwar ein zielgerichtetes Arbeiten ermöglicht, jedoch kaum Spielräume für Forschungen und neue Erfahrungen lässt. Der Raum als solcher wird vom Schreibtisch aus domestiziert und gedanklich in vorgezeichnete Bahnen gelenkt.

Oft ist aber genau der entgegengesetzte Weg in Gestaltungsprozessen wichtig, um Möglichkeiten außerhalb von Klischees und bereits gegangen Wegen zu entdecken. Designforschungen im Realen bieten die Möglichkeit, automatisierte Gestaltungsmuster auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen und sich immer neu die Frage einer authentischen Gestaltung zu stellen und aus der Interaktion mit dem Realen, Neues in die Prozesse hineinlässt

Julia Schmitz
Linda Weidmann
Semesterarbeit

Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Anja Vormann

 

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