PlanBude

Im Rahmen der Exkursion »Ästhetik des Widerstands« untersuchen Studierende das Projekt »PlanBude« auf Tools und Methoden des Widerstands in Hamburg. Welche gestalterischen Tools verändern die Stadt? Wie werden diese Tools übersetzt? Was ist der St. Pauli Code? »PlanBude« ist ein transdisziplinäres Planungs-Büro, das die neuen Esso-Häuser in Hamburg nach den Wünschen der Bewohner organisiert. Das Interview mit Christoph Schäfer, Gründungsmitglied des interdisziplinären Teams, aus den Feldern Planung, Kunst, Soziale Arbeit, Film, Musik, Architektur, gibt Einblicke in die Strukturen und Prozesse des Projekts. Entstanden ist eine visuelle Auseinandersetzung mit dem Transkript des Interviews und dem Versuch Tools und Methoden des Projekts »PlanBude« herauszustellen. Die gestalterische Umsetzung zeigt die Visualisierung des Gesprächs in unterschiedlichen Formaten mit Christoph Schäfer im Originalton – ergänzt mit Fotografien und Zitaten.

Hereinspaziert. Wir sind jetzt auf der Reeperbahn, wie ihr vielleicht bemerkt habt. Das ist übrigens ein super chinesisches Restaurant, wenn man mal gut und günstig essen will – hat bis drei Uhr morgens auf. Was ihr hier seht, hinter der Werbewand, sind die »Esso-Häuser« und das hier ist die »PlanBude«. Ich werde euch jetzt drinnen die Story erzählen. Hereinspaziert. Oh, du hast aber schweres Gepäck dabei. Du hast ja echt die Arschkarte gezogen.  

Wir fangen in dieser Ecke an, da wo du dich gerade hinsetzt. Das hier waren die »Esso-Häuser«. Der Vorteil ist, ich muss hier nicht mehr schreien. Ich glaube, das finde ich ganz gut. Das hier sind die sogenannten »Esso-Häuser«, die standen hinter dieser Plakatwand. Das ist ein Gebäude aus den 60er Jahren gewesen. 2009 hat die Gebäude ein Investor gekauft, ein ziemlicher Großinvestor, denen gehören 60.000 Wohnungen in München. Die »Esso-Häuser« heißen »Esso-Häuser«, weil hier vorne, genau wo wir stehen, die »Esso«-Tankstelle war. Das war so eine Tanke bei der man sich, als noch Nachtkiosks aufhatten, mit Alkohol versorgen konnte. Es gibt das Gerücht, dass es die Tankstelle mit dem höchsten Umsatz in Deutschland war. Der Typ, der die Tanke betrieben hat, der hatte die Häuser ursprünglich in den 50ern gebaut, 1959 waren sie fertig. Wie man sieht so klassische Nachkriegsmoderne – »Charta von Athen«, Luft und Licht für alle.

Die »Esso-Häuser« wurden in den letzten 20 Jahren zu einem interessanten Ort. Zum Beispiel die Straße hoch der »Molotow Club«, ein wichtiger Indie Club. Es gab aber auch viele alte Geschäfte, die uralte Mietverträge hatten. Viele der Leute, die hier wohnten, hatten schon lange ihre Mietverträge und sehr wenig bezahlt. Wenn man zum Beispiel Klofrau auf dem Kiez war, konnte man trotzdem hier wohnen. Hier vorne waren die Wohnungen teilweise neu vermietet. Teilweise gar nicht mehr so billig, aber klein geschnitten. Wenn man studierte oder wenn man einen Job im Nachtleben hatte, konnte man hier wohnen. So war die Mischung der Leute. Bis der Investor alles gekauft hat und 2010 neue Mietverträge gemacht wurden. Die Leute sollten das unterschreiben. Der Mietvertrag klang so, als sei er besser als der alte. Das war aber nicht so.

Ich hatte ja schon vom »Recht auf Stadt Netzwerk« erzählt und dazu gehört zum Beispiel eine Organisation »Mieter helfen Mietern«. Über vier Ecken bekamen die das mit den Mietverträgen mit, denn eine Freundin einer Kollegin war betroffen. Eine Anwältin der Organisation schaute auf ihren neuen Mietvertrag. Mit dem Ergebnis, es durfte nicht unterschrieben werden. Weil die Organisation mit der »GWA St. Pauli« vernetzt ist, rief die Anwältin dort sofort an. Es solle unbedingt jemanden durch die Gebäude geschickt werden, der alle Leute warne den Vertrag nicht zu unterschreiben. Die »GWA St. Pauli« hatte das Glück, einen Praktikanten freistellen zu können, der an jeder Tür klingelte, bis es jeder kapiert hatte. Es durfte nicht unterschrieben werden und es hatte keiner unterschrieben. Großartig. Daraus hat sich die Initiative »Esso-Häuser« gebildet.

Das Ziel der »Bayerischen Hausbau« war: entmieten, abreißen, neu bauen. Das 10-fache Volumen dahin klatschen, das war so ziemlich durchsichtig. Aber der Plan war erst mal durchkreuzt. Die Initiative »Esso-Häuser« hatte lange weitergearbeitet und so kam es 2013 zu einem runden Tisch. Das war schön, weil die »Bayerische Hausbau« einen Fehler gemacht hatte. An dem Tisch sollte die Bezirkspolitik, die Anwohner und die »Bayerische Hausbau« sitzen. Die »Bayerische Hausbau« ließ das platzen und das kann man mit Politikern nicht machen. Daraus entstand ein interessanter Konflikt. Weil, normalerweise läuft so was hinter den Kulissen, die machen irgendeine Absprache mit dem Investor. Danach ist schon ungefähr klar, was da eigentlich läuft, bevor irgendwas öffentlich wird. Das war nicht passiert und ab da hatten die echt eine schwierige Situation. Die Initiative und der Investor hatten sich dann darauf geeinigt ein unabhängiges Gutachterbüro beurteilen zu lassen, ob die Häuser standfähig sind oder nicht. Leider kamen die zu dem Ergebnis, dass die Gebäude nur noch ein Jahr stehen könnten. Das Büro aus Hamburg hatte sich zu der Aussage verleiten lassen, dass es 20 Mio. Euro koste, die Häuser zu reparieren. Das war der Punkt, an dem klar war, jetzt wird das nicht mehr zu halten sein.

Zehn Tage vor Weihnachten 2013 wurden die Häuser evakuiert, weil ein Zittern durch das Haus ging. Das haben auch Leute, die wir für vertrauenswürdig halten, so gespürt. In derselben Nacht ging die Feuerwehr in die Häuser und hat alle rausgeholt. Danach war es echt besiegelt und es gab kein Zurückkommen mehr. Man findet keinen Statiker in Deutschland, der dann die Pfote hebt und sagt, die Häuser halten trotzdem, obwohl sie schon gezittert haben. Das war aber nicht zu irgendeiner Zeit, das war erstens fünf bis sechs Tage bevor, von der »Flora« ausgehend, eine Solidaritätsdemonstration hier hergehen sollte. Zweitens war »Lampedusa« in Hamburg, das war so eine Gruppe von afrikanischen Flüchtlingen, die in Libyen gearbeitet hatten. Als Kriegsflüchtlinge wurden sie in Italien anerkannt, dort aber nicht versorgt und sind so nach Hamburg gekommen – 70 Personen hatten im Park der Kirche gewohnt. Hier ging es um Unterstützung und Anerkennung dieser Gruppe. Der letzte Punkt war die »Flora« selbst und die Demo. Das ist damals durch die Presse gegangen. Zum Teil wurden sie wirklich ganz am Anfang von der Polizei angegriffen. Ihr habt sicher alle das mit »G20« mitbekommen. Die Riots, die danach einsetzten, waren viel größer als bei »G20«. Es war sehr geschickt fotografiert, was da passiert ist. Es haben fünfeinhalb Barrikaden irgendwo gebrannt, es waren wahnsinnig viele Polizisten hier unterwegs. Was danach passierte waren wirklich nennenswerte Riots und die Stadt wusste, dass sie ein Problem hat. Es gab ein Eskalationsniveau, was wirklich auch ein bisschen anfing gefährlich zu werden. Es kam dann Silvester nach dieser Demo, die ihr vielleicht mitgekriegt habt 2013. Die Polizei behauptete, dass es einem Angriff auf die Davidwache gegeben hätte, mit einem verletzten Polizisten. Später stellte sich raus, dass das gar nicht so war, denn den Angriff hatte es nie gegeben. Das heißt, es war wirklich eine reine Erfindung.

Das konnte die Stadt skandalisieren und sie haben ganz St. Pauli zum Gefahrengebiet ernannt. Da kamen interessanterweise ziemlich junge Leute aus einer Crew, die eigentlich große Partys organisieren. Die kamen auf die gute Idee die »Danger Zone-Games« auszurufen, weil, Gefahrengebiet heißt, man kann ohne Anlass immer kontrolliert werden. Es war sehr viel verboten, was man dann plötzlich nicht mehr dabeihaben durfte. Die haben dann gesagt, super, wir verleihen jetzt Punkte für jeden, der angehalten wird. Es gibt einen Punkt, wenn man von der Polizei mitgenommen wird, zwei Punkte, wenn was beschlagnahmt wird, drei Punkte, und so weiter. Sie sind das sehr spielerisch angegangen. Das war ziemlich gut, weil sich plötzlich diese verhärtete Situation auflockerte. Wenn dir dauernd gesagt wird, du rennst hier rum und deine Leute hauen mit Backsteinen Polizisten die Kinnlade raus, und das stimmt nicht, dann kann das auch einen komischen Effekt haben. Die Leute denken, okay, dann werden wir jetzt mal richtig krass. Das provoziert das gerade. Auch jetzt was in Hamburg passiert, das so vollkommen übertrieben wird, was da angeblich passiert ist bei »G20«, kann auch solche Folgen haben. Und die haben einen super eleganten Ausweg damals gefunden. Das kriegte dann ein unglaubliches Momentum.

Hamburg hat es geschafft durch so eine Gefahrenzone ganz Hamburg auf die Straße zu kriegen. Es wurde sich verabredet in einer WhatsApp-Gruppe. An der Kreuzung treffen wir uns zum Trinken, eine Stunde später ist Kissenschlacht auf diesem Platz und noch eine Stunde später machen wir eine Spontandemo von woanders. Es wurde vollkommen undurchschaubar. Es floss hier die Tage nur so durch das Viertel durch und das kriegte so ein Extrading, was sehr lustig war. Die Tagesschau hat eine dieser Kontrollen gefilmt. Da war jemand in schwarzer Jacke, schwarzem Rucksack und die Polizei zieht was raus. Es war eine Klobürste, eine weiße Klobürste. Jemand hat von der Klobürste ein Standfoto gemacht, das ins Internet gestellt und das war dann der gefährlichste Gegenstand. Am nächsten Tag waren Klobürsten in St. Pauli ausverkauft und sie wurde zum Symbol des Widerstands. Das war sehr lustig und ist auch eine schöne Form von Beleidigung. Das war super, weil dadurch die Polizei total in die Defensive kam. Irgendwann wurde pressemäßig öffentlich: Sag mal, geht’s euch zu gut, Grundrechte abschaffen? Dieses Spiel konnten sie nicht durchhalten und innerhalb von wenigen Tagen schmolzen die Gefahrengebiete zu etwas ganz Kleinem zusammen. Dann waren sie weg und ein Jahr später wurden sie tatsächlich weggeklagt. Die gesamte Praxis, die Hamburg zehn Jahre lang schon getrieben hatte, mit Gefahrengebieten wurde für illegal erklärt. Es stelle sich heraus, dass man das gar nicht machen durfte, es verfassungswidrig ist.

Interessante Situation. So scharf läuft das gerade. Man muss das schon sehr im Auge haben. Gleichzeitig hatten sich neben der Esso-Initiative »SOS St. Pauli«, »Recht auf Stadt Netzwerk«, Fanclubs von »FC St. Pauli« und so weiter zusammengetan und wollten eine Stadtteilkonferenz, was die »Esso-Häuser« betraf. Die kriegte jetzt durch die ganzen Sachen, die vorher passiert waren ein extra Momentum. Das war dann im Februar 2014, im Ballsaal von »FC St. Pauli«, und da waren sehr viele Leute. Es war sehr breit. Es ist oft wichtiger, dass da so eine Breite ist, viele unterschiedliche Leute da sind, nicht nur ein Spektrum und eine Szene. Die Konferenz war groß und es wurde der Entschluss gefasst, wir wollen hier die Planung selbst in die Hand nehmen. Es gab ein Nachfolgetreffen, da kamen immerhin noch 120 Leute. Eine Woche später, teilte man sich in Arbeitsgruppen, und eine hieß »AG Planung«. Da war ich drin. Da haben wir dann ein Konzept geschrieben, das hieß »PlanBude«.

 Wir wollten hier vor Ort planen mit selbst entwickelten Tools. Vor allem wollten wir, dass Vorgaben gemacht werden, für das was passieren soll. Und dass es passiert, bevor irgendwas entschieden ist. Die Stadt wusste sie müssen hier irgendwie Partizipation machen. Dann hatten wir verhandelt im Frühling/Sommer und tatsächlich waren wir gezwungen als Verhandlungspartner rechtsfähig zu werden. Also haben wir eine GbR gegründet – das geht sehr schnell. Die »Außen GbR PlanBude«.

Wir haben geguckt, wer kann was und wer kann sich für so einen Job ein halbes Jahr freischaufeln. Wen brauchen wir noch und wer will? Das war ein Team von sechs Leuten am Anfang. Ich war dabei, Margit Czenki als Künstlerin, Renée Tribble, Stadtplanerin, Lisa Marie Zander, ein Architekt und eine Sozialarbeiterin, die sich bis dahin um die »Esso-Häuser« gekümmert hatte. Es war ein ziemlich gutes Spektrum dafür. Dann haben wir noch eine Musikerin aus dem »Pudel« dazu geholt für Kommunikation und Eventorganisation. Die bringt eine tolle Perspektive mit ein. Mit den verschiedenen Sachen haben wir Tools entwickelt und eine Kalkulation geschrieben. In diesem Fall wollten wir einen offiziellen Auftrag von der Stadt haben, von Anfang an, damit das auch verbindlich ist von den Ergebnissen her. Den Vertrag haben wir abgeschlossen. Beide Seiten können jeder Zeit kündigen und wir können die Ergebnisse weiterverwenden. Wir wollten verhindern, dass wir rausgekickt werden und die mit den Ergebnissen machen was sie wollen. Kann man sich ja so Perlen raussuchen und mit irgendeinem Quatsch begründen.

Vor vier Monaten haben wir aufgemacht und dieses Ding hier hingestellt. 800 Gespräche in Haushalten geführt und 18.000 Fragebögen in der Nachbarschaft verteilt. Zum Beispiel hier ein Original, kann man ausklappen. Da ist man beschäftigt mit dem Ding. Wir hatten verschiedene Tools – eigentlich unsere komplette Innenausstattung. Ein Ding nannten wir taktische Möbel, das heißt, wie macht man die Straße zum Planungsbüro. In dem man Möbel macht, die man hier drin verwenden kann, aber draußen zum Beispiel anrasten kann. Dann hat man da einen Stand. Das ist hier das Knetmodell, das ist noch viel präziser als das, was wir bei »Park Fiction« hatten. Wir wussten nämlich, dass die Stadt eine Untersuchung gemacht hatte. Die fanden das 24.000 qm Bruttogeschossfläche das richtige Bauvolumen wären. Jetzt wisst ihr, als ziemliche Kreativprofis wahrscheinlich auch nicht wie viel das ist. Ich kann mir das auch immer nie vorstellen und selbst die Architekten haben da ihre Schwierigkeiten. Dann haben wir das einfach ausgerechnet. 24.000 qm Bruttogeschossfläche heißt qm Boden, den man nutzen kann und um den ein Volumen drum herum ist. Das heißt, das haben wir einfach ausgerechnet. Wie viel wäre das umgerechnet in Stockwerken auf dieser Fläche? Das heißt ungefähr 4×4 Stockwerke. Das haben wir abgewogen, das sind 1,3 kg. Dann wird es plötzlich ganz einfach. Du gibst jemandem 1,3 kg, das ist im Maßstab 1:500, was man hier unterbringen muss. Man kann aber gucken wird es mehr, bringt man mehr unter. Will man das da weniger gebaut wird, kann man das abwiegen. Weiß dann, 1 kg weniger, sind 200 Wohnungen die fehlen. Das war ziemlich gut, man kann mit den Blöcken schnell solche Sachen machen.

Das war Step One das man ein gutes Tool hat. Wir haben uns wahnsinnig bemüht, diese zu übersetzen, aber ich zeig euch schnell noch die anderen Tools. Das war sowas ähnliches, das Legomodell. Beim Legomodell, das hatten wir hier stehen, das kommt auch wieder zurück. Das war im Maßstab 1:150. Da hatten wir das so ausgerechnet, dass man mit zwei Legosteinen ein Wohngeschoss hinkriegt und mit drei ein Geschäftsaltbaugeschoss. Dann waren die farbcodiert: orange ist der Boden, grau ist das Geschäft und weiß ist öffentlich oder gemeinnützig. Da braucht man aber fünf Stunden bis man so ein Modell fertig hat in der Größe. Dann hatten wir hier die Inspirationscouch, das Wunscharchiv und noch ein wichtiges Tool, die Nachkarte. Da sind wir natürlich darauf gekommen, weil St. Pauli bei Nacht vielbedeutender ist als bei Tag. Das war einfach, ganz einfach. Hier haben wir diese Lackstifte und schwarz bedruckten Karten rausgegeben mit der Frage, wie soll das im Jahr 2020 bei Nacht aussehen. Das war eins der aussagekräftigsten Tools, weil es verschiedene Side Effects hatte. Jede Linie, die man mit so einem Stift benutzt sieht super aus – auch wenn man 10 Jahre nicht mehr gezeichnet hat. Denn dieses Zeichnen – Bleistift und weißes Papier – das hört bei fast allen mit 13 auf und ist dann verbunden mit Scheitern. Das heißt aussagekräftig in der Hinsicht, weil viele es benutzt haben. Auch haben wir ganz viel darüber erfahren, was für eine Art von Gestaltung wir haben möchten. Da zeig ich euch einfach mal ein paar Beispiele.

Parallel haben wir Workshops mit der Schule gemacht, so einen richtigen Kurs, einen Urbanismus Kurs über ein Jahr lang, mit der 4. Klasse und mit der 10. Klasse. Das waren verschiedene Themen mit denen sie sich befasst haben. Hier links das ist so eine Zeichnung, ein Memoire. Ein Gespräch zwischen zwei Häusern. Zum Beispiel sagt das eine neue Haus: »Du bist voll cool«. Das andere Haus bedankt sich höflich. Die unterhalten sich sozusagen. Finde ich ziemlich lustig, ehrlich gesagt. Das hier war eine Serienzeichnung, nachdem sie sich einen japanischen Film angeguckt haben. Das hier war nach der Lektüre von einer Geschichte »Die unsichtbaren Städte« und das da unten auch. Das sind so Kinderkurse, die liefen parallel dazu. Die waren sehr entwurfsorientiert im ersten Jahr, weil es da ja auch darum ging. Da ist zum Beispiel diese Schokoladenfabrik bei rausgekommen. Dann überlegt man gemeinsam, ob es vielleicht eine Möglichkeit gibt einem 3D-Schokoladen-Drucker hier umzusetzen.

Aber ich wollte ganz kurz mal ans Archiv, das ist nur unser temporäres. Alle Sachen haben wir hier durchnummeriert und das sind die Fragebögen. Wir haben insgesamt 2300 Beiträge bekommen, was zahlenmäßig wahnsinnig viel ist. Beteiligungsprozesse erreichen eigentlich viel weniger Leute. Das haben wir geschafft, dass wir eine andere Intensität und Zahl von Leuten erreicht haben. Die sind alle durchnummeriert, sodass man die Dinge, die man auswertet, auch wiederfindet. Das wollte ich noch zeigen. Dann haben wir zu bestimmten Themen spezielle Karten. Was willst du tun, wenn dir das Gelände gehört und du 100 Mio. Dollar hast? Es gibt auch so subjektive Fragen. Dann hatten wir noch ein Panorama von der gegenüberliegenden Seite gemacht, das ging über die ganze Leiter. War auch ein Tool, weil man analysieren konnte, wie St. Pauli eigentlich funktioniert. Welche Sprache wird hier verwendet? Welche Größen haben die Häuser? Wie wichtig ist es, wie wir dahinter aussehen? Oder wie unwichtig. Das war sozusagen eine kollektive Dekodierung und es wurde unser Hauptslogan »Knackt den St. Pauli Code«.

Anschließend gab es auch den ersten St. Pauli Fotoworkshop. Wir haben die Leute gefragt herzukommen und Kameras mitzubringen. Eine Stunde sind sie umhergeschweift, haben Fotos mitgebracht, haben drei ausgesucht und einem erklärt, was sie wichtig fanden – was St. Pauli ausmacht. Weil die Aufgabe für uns ist, wie übersetzt man, wie sich St. Pauli in einem Neubau fortsetzen kann. Der Hintergrund ist, das habt ihr eben selbst gesehen, es sind so neue Sachen entstanden. Das krasseste Beispiel ist dieses Bauquartier, an dem wir eben vorbeigekommen sind. Das geht überhaupt nicht. Da ist nichts drin vorgesehen, wo sich jemals eine Kneipe, auch nicht in 100 Jahren, einnisten kann. Genauso bei dem Haus da. Das gilt aber auch für ganz normale Wohnbauten. Die kompletten Erdgeschosse sind total arm. Alles was in den letzten 20 Jahren gebaut worden ist, ist scheiße in der Hinsicht.

Das ist ein Thema, was für die Gegenseite, die Stadt in dem Fall, total interessant wurde. »Ja, stimmt, ist irgendwie ein Problem. Was machen wir denn, wenn St. Pauli nicht mehr St. Pauli ist.« Diese Kritik kommt bei denen schon sehr an. Das ist irgendwann wirtschaftlich gefährlich für Hamburg, wenn St. Pauli so aussieht wie da hinten. Da kann man wirklich genauso gut nach Braunschweig fahren. Das wissen die, dass das ein materieller Faktor ist und für die Stadt super wichtig ist. Das heißt, es ist nicht nur Antikapitalismus, sondern es geht auch um die Zukunft eines Standorts und das geht an der Stelle zusammen.

Gut, wir haben alles ausgewertet. Viele Ergebnisse kamen zusammen, die wir in Excel-Tabellen eingetragen, verschlagwortet und gezählt haben. Das ist wichtig, für die Frage, was für Wohnmodelle es geben soll. Wir haben dann in einer zweiten Schicht geguckt, jeweils unsere Expertise mit einzubringen. Ich zeig jetzt mal, weil das ist extrem wichtig, wie man einen künstlerischen oder architektonischen Blick nochmal auf diese Modelle wirft. Wenn man es dann Ernst nimmt, ist es etwas völlig anderes, wie normalerweise in Partizipationsprozessen. Da wird dann an einem Tag gearbeitet und am Ende hat man die Begriffe – oft ist das dann schon überkonkret oder auch falsch. Wir konnten so eine komplette Agenda erarbeiten, muss ich euch jetzt dann doch mal zeigen. Wo ist meine Brille, ich brauche meine Brille. Nämlich hier. Weil, wir haben einmal den St. Pauli Code herausgefiltert, so eine Kurzzusammenfassung, die dahinten steht.

Aber wir mussten ja auch eine Grundlage, ein Briefing, für die Planung von Architekten verfassen. Das ist gar nicht so einfach, dass die das verstehen. Die Hauptsache fängt hier an. Da kann man sehen, wie wir gearbeitet haben. Das sind die Punkte in der Ausschreibung. C.2 ist ein ganz normaler Punkt, unter dem über Höhenunterschiedlichkeit gesprochen wird. Das heißt was für Gebäude sollen das werden, darf das ein Komplex oder sollen das einzelne Häuser werden? Das steht hier in Schriftform. Wir haben denen das Material gegeben, aus denen wir das abgeleitet haben. Zum Beispiel geht es um Kleinteiligkeit und Unterschiedlichkeit in der Höhenentwicklung. Wir haben denen das auch deshalb gegeben, weil wir genau zeigen wollten, »Guckt mal, da gibt es Leute, die möchten ein Hochhaus.«. Das findet die Menschheit nicht unbedingt schlimm, wenn dadurch diese Unterschiedlichkeit entsteht. Das hatten wir jeweils in unterschiedlichen Formen geäußert bekommen.

Hier hat jemand in 3D gezeichnet und jemand anderes hat fast die gleiche Idee mit einem Knetmodell nachgebaut. Diese angefressenen Hochhäuser sind übrigens so nicht gemeint, die wurden nur nicht fertig. Aber das ist schon ziemlich klar zu sehen, worum es da geht. Da stellt man sich hier einen Quartiersplatz vor, es gibt zwei Hochhäuser und es gibt begehbare Dächer mit dieser weißen Fläche. Es gibt begehbare Balustraden und etwas Gemeinnütziges im ersten Stock. Das ist schon relativ ausgeprägt zu sehen. Hier eine komplett andere Variante, eine mit zur Reeperbahn öffentlichen Dächern und einem gemeinnützigen Haus in der Mitte. Das ist fast wie ein Ferienkomplex.

Die Knetmodelle haben wir jeden Abend fotografiert. Immer ein Blatt gemacht mit vier Ansichten mit einer kleinen Bemerkungsserie, was die Leute damit meinen. Daraus konnte man echt viel ablesen. Das haben wir noch mal abgeleitet, zum Beispiel ist gefälschtes Mittelalter kein Problem. Man kann daneben auch eine krass geschmückte Fassade haben. Das macht an der Reeperbahn alles nichts aus. Wichtig ist aber, dass es eine krasse Trennung gibt aus Erdgeschoss und das was darüber passiert.

Der nächste Punkt war die Schauseite Reeperbahn. Das bringt es genau auf den Punkt, was hier gewünscht wurde. Es gibt hier eine erste Reihe Häuser, die völlig unterschiedlich sind, ein leicht orientalisches Haus und ein leichtes Vorstadthaus, ein U-Boot, ein Fliegenpilz und eine gefälschte Pyramide. Dahinter einen gigantischen Trakt, effizientes Wohnen. Finde ich sehr überzeugend, das war wirklich das, was hier reinkam. Man möchte, dass die Reeperbahn weiter knallt, aber hinten bitte die Wohnungsfrage gelöst haben. Hier eine ganz ähnliche Idee. Vorne historisierende Bebauung, darunter Übungsräume und nach hinten raus effiziente Bebauung mit nutzbaren Dächern. Das war, was mich selbst am krassesten überrascht hat. Das ist das tolle, wenn man sowas organisiert. Von 100 % der Aussagen über Dächer sind 80 % der Aussagen für ein öffentliches Dach oder benutzbares Dach. Hätte ich nie mitgerechnet. Das ist in die Planung hierher mit eingeflossen. Das heißt, man konnte ganz genau interpretieren, was da war. Das ist eins meiner Lieblingsmodelle. Einer hat ganz liebevoll ein Modell gebaut mit allen früheren Läden, die in den »Esso-Häusern« drin waren und diese als Fotokopie in das Modell geklebt. Die Promenade hat er im ersten Stock wiederholt, alle Läden, die er gerne hätte, reingeklebt und ein komisches Zitat der alten Häuser mit der roten Flora gemischt. Es ist ein sehr komplexer Entwurf, fast alles davon wird umgesetzt, das kommt jetzt später nämlich.

Das Briefing haben wir erst mal den Architekten gegeben. Kann mir jemand das graue Buch geben? Genau. Dann gab es einen Wettbewerb, das war dann der Next Step. Stadt und Investor hatten sich schon auf 10 Büros geeinigt und gesagt, ihr dürft noch eins vorschlagen, was beim Wettbewerb mitmachen darf. Da gab es ein Problem, weil die Esso-Initiative wollte unbedingt ein bestimmtes Büro, weil die ihnen schon vorher geholfen hatten. Wir wussten aber, wir brauchen jemanden, der mit dieser Fülle an Unterschiedlichkeit umgehen kann. Das muss ein Architekturbüro sein, was programmatisch denkt. Ein Büro, was aus einem Raumprogramm aus den Funktionen heraus überlegt. Da soll was auf den Dächern passieren. Wie kriegen wir das hin, wenn es hier der Idee widerspricht, es muss an einer anderen Ecke gemacht werden. Dazu braucht man einen programmatischen denkenden Architekten und nicht einen, der mit einer Formidee an den Start kommt. Das war »NL Architects«. Wir haben mit der Stadt einen Deal gemacht, wenn eins von ihren Büros absagt, kommt immer sofort eins von uns ins Spiel. Am Ende waren vier von uns im Spiel. Das tolle ist, es sind die vier Büros, die hier bauen werden. Das Ganze ist von einer Jury entschieden worden, in der wir nicht drin waren, sondern der Investor war.

Das haben die »NL Architects« aus diesem Briefing gemacht. Die haben das mit so einem bestimmten konzeptionellen Schliff übersetzt, würde ich sagen. Aus dem Quartiersplatz, hatten wir angedeutet, könne auch eine Gasse werden. »NL Architects« haben einzelne Blöcke daraus gemacht, weil schlicht kein Platz ist, wenn man das Volumen für einen richtigen Platz unterbringen will. Dann haben die sich auch was für jede Brandwand überlegt, haben ganz ausdrücklich mit Brandwänden gearbeitet. Weil das die Großstadt ausmacht. Ein Haus ist kein Komplex, sondern kann im Zweifelsfall irgendwann abgerissen und neu gebaut werden. Dafür braucht man immer diese Brandwände und für diese Brandwände haben sie sich Bespiellungen überlegt. An eine Hotelhochhauswand kommt die Kletterwand, auf dem Dach eine Skateboard-Bahn und da unten an der Ecke der Molotow Club. Dann gibt es öffentliche und gastronomisch genutzte Flächen oder einen Basketballkorb auf dem Haus an der Ecke. Das ist jetzt noch so sehr roh, aber interessant ist dafür diese Städtebauebene. Später gab es einen zweiten Wettbewerb, wo es um die einzelnen Häuser ging. Hier sieht man es zum Beispiel als Konzept, wie sie ein 70er Jahre Haus daraus gemacht haben. Dann sieht man rausgeschoben, was auf den Dächern passiert. Die haben auch wirklich alles, was irgendwie genannt wurde, untergebracht. Wir werden nicht alles kriegen, aber sehr viel davon. Hier diesen Windpark, den wird es natürlich nicht geben, aber das Skateboard-Dach, die Kletterwand und Park Fiction 2, die Basketballfläche. Es gibt noch eine weitere Ebene, die ganz interessant ist, nach vorne raus. Da wird auf 4 Meter Höhe ein Balkon zur Reeperbahn durchzischen.

Wir sind im Moment mit dem Entwurf wahnsinnig zufrieden. Jetzt geht es um die Umsetzung. Da gab es einen zweiten Wettbewerb. Es sind wieder die coolsten Büros, die das gewonnen haben. Wir sind noch in den Verhandlungen mit dem städtebaulichen Vertrag. Dort wird festgelegt, dass öffentliche Flächen öffentlich bleiben und es Subkultur Cluster geben wird. Wie lange das existiert und niedrige Preise behält. Es gibt ein paar Punkte, die sehr von der Norm abweichen. Nämlich 60 % geförderter Wohnraum, das macht im Moment niemand. In Hamburg gibt es so eine Verordnung: 1/3 Eigentumswohnungen, 1/3 Mietwohnungen und 1/3 Sozialwohnungen. Bei uns ist es eben 40 % frei finanzierte Mietwohnungen und 60 % geförderter Wohnungsbau. Das heißt, wir sind total überm Maß. Der Kompromiss ist ein Hotel, das in den 2. Stock reinkommt. Was eigentlich keiner wollte. Vorne darf man keine Wohnungen bauen, das ist ein Kompromiss, den die Reeperbahn schlucken kann, wenn der Rest kommt. Da sind wir noch im Clinch. Das ist dieser städtebauliche Vertrag, der gerade verhandelt wird, den letztlich die Stadt beziehungsweise das Bezirksamt mit den Investoren abschließt. Die sind daran gebunden und dann kriegen die den Bebauungsplan.

PlanBude – Ein Transkript – 2,72 kB

PlanBude
Christoph Schäfer

Janna Lichter
»PlanBude«
Semesterarbeit

Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Anja Vormann und
Prof. Britta Wandaogo