Tinder

Love me Tinder

Eine Anmachdialog-Wortsammlung. Das Stück enthält Textauszüge aus Chats der Flirtapp »Tinder«. Digitale Inszenierung im virtuellen Raum, transferiert in eine audiovisuelle, räumliche Inszenierung.

Clara wird zur Spielerin Lara. Die Erreichung eines gemeinsamen Zieles ist nur möglich, wenn man sich über die Beziehung zueinander einig ist. Da sich bei der App »Tinder« scheinbar alle Beteiligten unter der gleichen Kausalbeziehung, der Aufgabe »Date, Liebe, Sex« zusammenfinden, besteht ein sozialer Raum mit sozialer Zeit und eine kollektive Kausalität. Dadurch entsteht eine gemeinsame Kategorie: Das Spiel um »Liebe«.

Ein dunkler Raum, totale Finsternis. Aus fünf Lautsprechern ertönen Stimmen von schattenhaften Existenzen. Die Ausgangssituation sind Chatfenster der Flirtapp »Tinder«. Nichts ist fiktiv, alle Sätze sind real und wurden fragmentarisch neu zusammengesetzt. Wir befinden uns in einem Chatroom. Die Personen des Stückes kennen sich untereinander nicht. Einzig und allein Lara hatte zu allen Kontakt. Unterscheidungen werden zunehmend schwieriger, Identitäten verrutschen und der Chat gerät ins Wanken.

Script (Auszug)

Thomas, 33 Jahre: Hi Lara.

Henning, 27 Jahre: Stille.

Thomas, 33 Jahre: War das ein zu einfallsloser Gesprächsbeginn oder bist hast du nur zu viele Matches?

Lara: Ein Hallo ist eine Hülse ohne Inhalt. Der Schwung fehlt und ohne Schwung bleibt das Wort stecken, findet keinen Weg vom Handydisplay ins Inhaltliche.

Alexander, 32 Jahre: Ja, zugegeben. Die Frage: »Wie geht‘s dir?« ist eine recht oberflächliche Frage… Sagen wir mal Floskel. Wird wohl meistens aus reiner Höflichkeit gestellt, in der Hoffnung dann doch mit einer anderen Floskel beantwortet zu werden. Und dennoch begegnet sie uns jeden Tag oder?! Hmm belasten und überziehen. Nee eigentlich nicht. Kreditkarten buchen ja auch nicht sofort ab.

Lara: Ich sammle Wörter.

Thomas, 33 Jahre: Aus Prinzip oder weil die bei jedem Umzug mitkommen?

Kevin, 30 Jahre: Ich hab auch mal versucht mich nur von Wörtern zu ernähren, es war himmlisch so lange noch die küstlichen Possessivpronomen reichlich vorhanden waren, auch sämtliche Verbkonjugationen im Futur 1 oder Futur 2 hätten gemundet haben werden, aber als dann nur noch Präsens und Treppenwitze übrigblieben, wurde mir schlecht und ich dachte, ich verende innerlich an Unterverwortung. Da musste ich erst mal zwei Wochen Pauschalurlaub machen. Am Wörthersee. Wörter, die verboten
gehören: 1.) Schatzilein 2.) Kaffee und Kuchen 3.) Vaterland

Lara: Die Promotion-Tour der sensiblen Wörter beginnt.

Kevin, 30 Jahre: Es wird so dargestellt als ob Kaffee niemals ohne Kuchen könnte und wenn man Kuchen irgendwo allein auf der StraІe trifft, fragen die Leute zuallererst immer: »Wo ist Kaffee?« anstatt zu fragen »Hallo Kuchen, schön dich zu sehen, wie
geht‘s dir?«. Ich hab das Gefühl die beiden werden nur zusammen als Ganzes wahrgenommen anstatt ihre eigene, wundervolle Identität zu sehen. Leute halten Kaffee und Kuchen für glücklich, aber ich würde so nicht sein wollen…

Thomas, 33 Jahre: Bringt die Masse so mit sich. Ist das hier eigentlich noch Teil der Wortsammlung oder Nachgeplänkel?

Kevin, 30 Jahre: Hey, besteht deinerseits noch Interesse sich kennenzulernen, vielleicht auch mal persönlich. Oder langweile ich die »Metaebenen Tante«. Ist ja auch völlig ok. Ist ja nichts Zwingendes hier, nur »Beinahe-Momente«. Würde mich da über eine Info
deinerseits freuen.

Alexander, 32 Jahre: Hier wird es bald enden. Trau dich oder such‘ dir andere Brieffreundschaften.

Thomas, 33 Jahre: Dann fängst du diesmal an.

Lara: War das ein zu einfallsloser Gesprächsbeginn oder bist hast du nur zu viele Matches?

Thomas, 33 Jahre: Du hast sogar meinen Tippfehler kopiert…

Love me Tinder – 1,41 kB

Clara Habermann
Love me Tinder
Abschlussarbeit

Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Gabi Schillig und
Prof. Laurent Lacour