Gedanken zur Echtheit von Bildern

Bieke Depoorter

Die belgische Fotografin Bieke Depoorter (*1986, Kortrijk Belgien) absolviert im Jahre 2009 den Master-Abschluss in Fotografie an der Royal Academy of Fine Arts in Ghent. Nur drei Jahre später wird sie für die international renommierte und unabhängige Agentur Magnum Photo nominiert und im Jahre 2016 zum Vollmitglied ernannt. Magnum Photo wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1947 von den Pionieren Henri Cartier-Bresson, Robert Capa, George Rodger and David Seymour gegründet. 

Bieke Depoorter setzt sich in ihren Arbeiten mit gesellschaftlichen Themen auseinander und hinterfragt, sowohl die Rolle als Fotografin als auch die Grenze des Mediums selbst. Dabei bezieht sie ihre eigene Position mit ein, thematisiert diese offensiv. Sie schafft als Resultat Zwischenräume der Kommunikation und eröffnet mit ihrem Werk Diskurse über die Verantwortung der Kunst. In ihrer umfassenden Einzelausstellung im NRW-Forum Düsseldorf werden Arbeiten aus den Jahren 2015 bis 2019 gezeigt:

As it may be

Seit Beginn des Arabischen Frühlings, reist Bieke regelmäßig nach Ägypten. In Zeiten geprägt von Aufruhr und stetigem Wandel sucht sie nach Vertrauen. Sie verbringt Zeit mit Menschen, denen sie zufällig begegnet und taucht in deren Alltag und Lebensentwurf ein. Sie hält diese Begegnungen fotografisch fest. Zunehmend hinterfragt sie ihre eigene Kultur und Position. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, ob sie trotz ihrer privaten Verbindung zu den Menschen bloß eine Besucherin bleibt, die das Fremde abbildet. Aus diesen Überlegungen heraus entsteht die Idee für ein prototypisches Fotobuch. Während einer erneuten Reise in das Land lädt sie Einheimische zum direkten Kommentieren der Fotos ein. Es entsteht ein schriftlicher Dialog zwischen Ägypter*innen unterschiedlicher sozialer, kultureller und religiöser Hintergründe. In diesen überlagerten Gesprächen geht es um Kultur, Religion, Politik und die Gesellschaft, aber auch um das Medium Fotografie.

In der Ausstellung werden die Seiten des Orginalbuchs im Zusammenspiel mit getreuen Übersetzungen an den Wänden präsentiert. Besucher*innen können selbst Teil der Arbeit werden: in der Mitte des Raumes auf einem Schreibtisch liegt ein Exemplar des Prototypen: es kann kommentiert und editiert werden. 

»My dad’s always sitting like this; Papa says: This man is broke; The picture is wrong because the picture was taken of the woman while she was sleeping; How did he agree to let his wife be photographed like this?; In our culture, when visitors come to the house, they have to give people the chance to make themselves decent; When visitors come to the house and the man of the house is not present, they have no right to enter the house; This is the deepest picture; When there are conflicts between the mother and the father, it affects the children; There are a lot of things we don’t have, there’s a lot on our mind, but we just say: Leave it to God.«

Sète#15

In der französischen Hafenstadt besucht und inszeniert sie Menschen in ihrer natürlichen, privaten Umgebung. Erstmals projiziert sie ihre eigene Identität und fragmentarische Geschichten auf die Realität der Portraitierten und fiktionalisiert so die Darstellungen. Durch die Überlagerung verwischen die Grenzen. Präsentiert werden die entstandenen Fotografien in einer multimedialen Installation in einem dunklen Raum auf drei großen Projektionsflächen. Die Fotos blitzen auf, bleiben stehen, nehmen Bezug zueinander oder vervielfältigen sich.

Agata

Bieke und Agata begegnen sich 2015 in Paris. Aus dieser Begegnung entsteht eine langjährige kollaborative Zusammenarbeit. Auf der Suche nach der eigenen Identität und Überlegungen zur Autorschaft, hinterfragen die beiden Frauen die Grenzen von Illusion und Wahrheit. Die Kamera und das Medium Fotografie werden zum Forschunggegenstand. In der Arbeit werden neben der komplexen Beziehung der beiden Frauen zueinander auch Probleme, die sich während der Zusammenarbeit entwickeln, thematisiert. In der Ausstellung werden ausgewählte Portraits mit handschriftlichen Notizen von Agata präsentiert. Zudem sind zwei reflektierende Briefe integraler Bestandteil. 

Du benutzt mich, um diese Geschichten über die Realität und die Wahrheit zu Erzählen. Du projizierst etwas von dir selbst durch mich durch, und ich benutzte dich, um diese Visionen von mir selbst zu inszenieren. Deine Bilder kommen meinem wahren Ich näher als die Geschichten, die Ich über mich erzählen könnte Agata

Michael

Bieke trifft Michael in Portland und taucht kurzweilig in sein Leben ein. Sie begleitet und fotografiert ihn, lauscht seinen Geschichten. Er schenkt ihr drei Koffer gefüllt mit Collagen, Schriftstücken und Fotos aus seiner Vergangenheit. Danach verschwindet er spurlos. Bieke Depoorter begibt sich auf die Suche nach ihm und wird zum medialen Detektiv. Sie erforscht sein Leben akribisch: geht Spuren nach, sammelt Informationen, besucht relevante Orte und befragt Personen. Alle Erkenntnisse archiviert sie. Mit ihrem Bruder, dem Medienkünstler Dries Depoorter, entwickelt sie ein technisches Tool, welches gefüttert mit Fotos von Michael, aktuelle Überwachungskameraaufnahmen ansteuert und abtastet. Die Suche nach Michael entwickelt sich zunehmend zu einer Suche nach der eigenen Identität und nimmt die eigene Perspektive, den eigenen Blick in den Fokus.

Gedanken zur Echtheit von Bildern
Einblick in die Werke der Künstlerin Bieke Depoorter
Ein Beitrag von Laura Oldörp

Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Anja Vormann