Ich esse, schlafe und arbeite hier – den Park verlasse ich eine Woche nicht. So verschaffe ich mir einen intensiven Einblick und bekomme sogar das Nachtleben im Park mit. Besonders wichtig ist mir allerdings der Austausch mit den Parkbesucher.
Forschungsreisen ermöglichen die Erschließung von unbekannten Gebieten und dienen einer intensiven Auseinandersetzung mit Natur, Kultur und Gesellschaft. Schon Alexander von Humboldt begab sich direkt ins Feld, arbeitete mit Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammen und baute mit diesen gemeinsam ein umfangreiches Netzwerk auf. So erforschte er komplexe Zusammenhänge und gilt heute als Vorreiter des interdisziplinären Arbeitens. Das Projekt Expedition Poensgenpark greift diesen interdisziplinären Ansatz auf und transferiert ihn in neue technische Räume. Dabei begibt sich Patrick Kruse als Designer direkt ins Feld, in den Poensgenpark der Stadt Ratingen. Dort richtet er eine Forschungssation ein. Der Übertragungswagen der Hochschule Düsseldorf bildet dabei die Basis. Eine gezimmerte geodätische Kuppel ergänzt den Aufbau, sie ist Ausstellungsfläche und Kommunikationsort mit den Anwohner*innen und Besucher*innen.
Ich zeige meine Recherche- und Aufnahmeergebnisse und kläre die Menschen über die Fällung der Atlas Zeder auf. Ich höre aber auch viel zu: Besucher erzählen mir persönliche und historische Geschichten über den Park.
Im November 2017 ließ die Stadt Ratingen die rund 120 Jahre alte Atlas Zeder im denkmalgeschützten Poensgenpark fällen. Ein Pilz, der Kiefern-Braunporling, nahm der Atlas Zeder die nötige Standsicherheit, sodass sie über das Gartenamt entfernt werden musste. Diese Fällung rief einen starken Widerstand der Ratingen Bevölkerung hervor: Es gründete sich eine Bürgerinitiative, Demonstrationen fanden statt und ein Gegengutachten zum Erhalt des Baumes wurde beauftragt.
Patrick dokumentierte schon 2017 gemeinsam mit Kommilitonen die Fällung der Zeder im Auftrag der Stadt Ratingen. Über die Dokumentation Genstande die Idee zum Projekt Expedition Poensgenpark – Eine Exkursion ins Feld, eine technische und visuelle Datenerfassung, eine Recherche nach dem Kommunikationsbedarf der Bürger, sowie dann die technische Umsetzung in Form einer AR Installation.
Dieser Baum stand über 120 Jahre hier im Poensgenpark. Wenn man die Geschichte aus der Perspektive des Baumes erzählen würde, kämen viele disziplinübergreifende Informationen zusammen. Diese wollte ich sammeln und neu zugänglich machen. Dabei interessiert mich die Schnittstelle zwischen analogem und digitalem Raum besonders.
Die Expedition erfasst einerseits lokal verankertes Wissen durch empirische Feldforschung, einer Methode die man aus den Sozialwissenschaften kennt. Dieses setzt sich aus privaten Geschichten und Dokumenten zusammen und wird durch historische Inhalte aus dem Stadtarchiv ergänzt. Auch botanische Inhalte fließen ein. Alle erfassten Daten laufen in einem interdisziplinären Archiv zusammen. Die Faszination für Technik und Natur ist dabei Motor und Antrieb. Nach dem Beispiel wissenschaftlicher Expeditionen wird das vorab definierte Gebiet rund um die Atlas Zeder vermessen und hinsichtlich Botanik, Ethnologie, Zoologie und Geografie visuell untersucht. Neue Bildwelten werden erforscht: Durch den Einsatz verschiedener Bildgebungsverfahren wie Landschaftssanner, Drohnen und 360° Kameras wird ein digitales Abbild von dem Gebiet rund um das alte Angerhaus erstellt. Verfahren aus Architektur, Design und Medientechnik werden versammelt und ermöglichen einen Perspektivwechsel.
Alle bei der Expedition im Jahr 2018 erhobenen Daten sind an einer 160cm großen konservierten Holzscheibe, einem Teilstück der Atlas Zeder, mittels mobilem Endgerät abrufbar. Analoger und digitaler Raum verschmelzen durch die mobile Anwendung, ein Erinnerungsort entsteht. Das Augmented Reality basierte Archiv ist ein disziplinübergreifender Erinnerungsspeicher und unterteilt sich in drei Wissensebenen. Über virtuelle Jahresringe können historische Ereignisse auf der ersten Ebene abgerufen werden. Die zweite Ebene umfasst Informationen und Fakten über den Pilzbefall. Ein 3D-Modell des Poensgenparks ist auf der dritten Ebene platziert. Abrufbar ist vorrangig Wissen, das bei einem herkömmlichen Parkbesuch verborgen bleibt. Durch den niedrigschwelligen Zugang kann die Anwendung Gespräche einleiten, begleiten oder in der Wissensvermittlung zum Einsatz kommen. Außerdem skizziert das Projekt die enorme Möglichkeit des digitalen Archivierens von Wissen. Der Erlebniswert steht im Vordergrund, über den ein nachhaltiger Lerneffekt entsteht.
Patrick Kruse
Expedition Poensgenpark
Abschlussarbeit
Hochschule Düsseldorf
Fachbereich Design
betreut von Prof. Anja Vormann,
Prof. Dr. Christian Geiger und Mitja Säger
Technische Umsetzung Augmented Reality Archiv
Kester Evers und Patrick Kruse
Mit Unterstützung von Mirevi und dem Gartenamt der Stadt Ratingen