Dekonstruktion stereotyper Narrative 2

Interdisziplinäres Kooperationsprojekt »Dance with the Desert«

Anlässlich des 1700-jährigen Bestehens der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland realisieren wir ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt mit Student*innen der Hochschule Düsseldorf, der University of Europe Berlin und der Bezalel University of Art & Design in Jerusalem. Die Studient*innen kommen aus den Fachbereichen Kommunikationsdesign, Fotografie, Motion Design, Interaction Design, Illustration, Film und Game Design.

In Workshops tauschen sich Student*innen über deutsch – jüdische Geschichte aus, arbeiten gemeinsam an künstlerischen Projekten, organisieren und besuchen Veranstaltungen und Ausstellungen und lernen so zusammen die Vielfalt in Leben und Kultur des Judentums in Deutschland kennen.

Workshop FeldFünf Galerie Berlin

FeldFünf bezeichnet sich als Kulturplattform und kuratiert gemeinsam mit lokalen Akteur*innen und internationalen Kunst- und Kultuschaffenden* in den offenen Projekträumen den Dialog zwischen Kunst, Design und Alltag. Dort findet der erste Workshop statt, direkt gegenüber dem jüdischen Museum. Neben Werkstattgesprächen, Lecture – Performances, einem Open Air Kino und Video-Talks rund um den Ü-Wagen, werden auch die künstlerischen Projekte der Student*innen in einer Ausstellung gezeigt. Es geht darum gemeinsam einen hierarchiefreien Raum zu schaffen – zum Austausch von individuellen Lebenswelten, ohne Vornahmen und Vorurteile.

Künstlerische Projekte

Die künstlerischen Projekte der Student*innen bieten Zugänge zu intensiven Auseinandersetzungen mit Literatur, Musik, Protestbewegungen und Strömungen, persönlichen Erfahrungen und Geschichten.

My Grandmother and I – Israel – Germany

Die Tatsache, dass Shir Zilberstein nun in Deutschland lebt, ist der Ausgangspunkt für Gespräche mit ihrer Großmutter. Zunächst telefonieren die Beiden miteinander, dann besucht Shir ihre Großmutter in Israel. Es entsteht die Videoarbeit »My Grandmother and I – Israel – Germany.«

» Für mich persönlich haben diese beiden Orte, Deutschland und Israel, eine starke Verbindung. Ich beziehe mich sowohl auf kollektive Ereignisse der Vergangenheit wie den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg, als auch auf private Momente wie der Tatsache, dass es meiner Familie schwer fällt zu akzeptieren, dass ich seit vier Jahren in Deutschland lebe. Mein Vater sagte, er würde mich niemals besuchen kommen, aber er hat es getan. Meine Großmutter sagte, sie würde nie einen Fuß nach Deutschland setzen, doch ich warte heute noch auf sie. «

Transkription

Sprachraum Musik

In seiner Lecture-Performance »Sprachraum Musik« erklärt und zeigt Marcel Mücke, dass ein Großteil der komponierten Musik auf demselben Notensystem mit denselben 12 Tönen basiert. Verschiebungen von Tönen und Tonleitern können geographische und kulturelle Entwicklungen abbilden, aber dennoch universell verstanden werden. Deswegen öffnet Musik Räume der Begegnung und Annäherung.

»Die klanglichen Unterschiede von Musik beruhen allerdings nicht nur darauf, welche sieben Töne Verwendung finden, sondern auch, in welchem Bezug sie zueinanderstehen. Wird die harmonische Molltonleiter beispielsweise nicht vom ersten Ton ausgespielt, sondern vom fünften, resultiert daraus eine ganz andere Tonart: phrygisch-dominant, oder auf jiddisch: Freygish. Diese Tonart kommt primär im Klezmer, der Musik des osteuropäischen Judentums, zum Einsatz. Wird hier wiederum ein einzelner Ton verschoben, erhält man das Moll der Sinti und Roma. Diese Ähnlichkeit liegt vermutlich daran, dass Klezmorim (also Klezmer-Musiker:innen) oft gemeinsam mit Sinti und Roma gereist und dabei auch musiziert haben.«

 

 

Empty Slogans

Das Projekt ist eine Fortsetzung von „Unheard Voices“. Es erweitert die typografische Auseinandersetzung der Hebräischen Schriften an den Wänden auf Protestschilder in Tel Aviv. Dafür werden Stimmen von Protestschildern gesammelt, archiviert und umgewandelt. Die gesammelten Stimmen werden projiziert und somit die Grundlage für neue Gespräche über Politik und Gesellschaft.

»Die Dekonstruktion von Text und Raum eröffnet neue Ideen in Zeiten von Konflikten und gesellschaftlichen Veränderungen.Der gemeinsame Gedanke ist »ungehörte Stimmen« und »leere Slogans« und Kommunikationsräume zu produzieren, um Stereotypen der israelischen Gesellschaft zu brechen und alternative Stimmen zirkulieren zu lassen. «

Werkstattgespräch

Bei ihrer Projekt-Recherche stoßen Deborah Holtz, Tilia Dahlke und Saskia Schäfer auf das Buch »Stein, Papier – Eine Spurensuche in Galiläa« von Tomer Gardi. Sie laden den in Berlin lebenden Schriftsteller für ein Werkstattgespräch in die FeldFünf Galerie ein.

 

Tomer Gardi erzählt von dem Kibbuz Dan, in dem aufgewachsen ist und von seiner Annäherung an dessen Geschichte. Als er erfährt, dass das neue Museum im Kibbuz mit den Steinen eines 1948 zerstörten palästinensischen Dorfes errichtet wurde, beginnt er in israelischen Archiven zu recherchieren und spricht mit den Menschen aus dem Kibbuz. Dabei stößt er auf Verdrängung, Zensur und konstruierte Geschichte. Er hält seine Erlebnisse und Eindrücke in seinem Buch »Stein, Papier« fest.

Open Air Kino

Beim Open Air Kino vor dem jüdischen Museum zeigt die Schauspielerin und Regisseurin Esther Zimmering ihren Film »Swimmingpool am Gulan«. Dieser erzählt die Suche nach ihren jüdischen Wurzeln und die Familiengeschichte von 1933 bis in die Jetztzeit. Für den Film reist sie nach Israel, trifft ihre Familienangehörigen und recherchiert in Archiven.

»Der größte Teil meiner Familie wurde in Auschwitz, Riga und Theresienstadt ermordet. Die beiden einzigen Überlebenden, Lizzi und Lore, bauten nach dem Holocaust in zwei weit voneinander entfernten Weltregionen ihr neues Leben auf. Sie heirateten politisch engagierte Männer, gründeten Familien und halfen beim Aufbau ihrer jeweiligen Heimatländer. Es war die Zeit des kalten Krieges. Die ehemaligen Cousinen standen plötzlich jeweils auf der anderen Seite der Mauer zweier verfeindeter Systeme. Über das Wunder des Überlebens und die Grausamkeit des Erlebten haben meine Großeltern sehr wenig erzählt – und ihre Kinder haben nicht danach gefragt. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass erst die Enkelgeneration Fragen nach der Vergangenheit stellt. Ich bin die Enkelgeneration. Und ich stelle allen drei Generationen Fragen«

Hochschule Düsseldorf
Im Rahmen des Kooperationsprojekts Dance with the Desert
Prof.*in Anja Vormann

Mitarbeiter*innen Patrick Kruse, Janna Lichter, Marcel Mücke, Laura Oldörp und Lilian Wunschik

Weitere Links
https://dance-with-the-desert.de/